Ursula Krütt-Bockemühl verstorben
Liebe Mitglieder und Besucher dieser Seite, leider müssen wir Euch mitteilen, dass die
Ehrenvorsitzende der Deutschen Sauerstoff- und Beatmungsliga LOT e.V. und
Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Bande,
Ursula Krütt-Bockemühl, am 23.6.2023 verstorben ist.
Wer „UKB“ gekannt hat weiß, was Sie uns bedeutet hat.
Text: Harald F. Seidel, Bild: Familie Bockemühl
Abschied von der LOT und Ursula Krütt-Bockemühl
Der 23.06.23 ist ein schicksalsträchtiges Datum. Ein Datum wie geschaffen für Hochzeiten oder sogar
ein gutes Sterbedatum, das man nicht vergisst? Aber den eigenen Tod kann man nicht terminieren.
Er ist ein Machsal und kein Schicksal, das uns irgendwann einmal, trotz aller Vorkehrungen ereilen
wird. Der 23.06.23, als Ursula Krütt-Bockemühl oder UKB, selbstbestimmt und autonom starb, ist
untrennbar mit dem endgültigen Zerfall der LOT verbunden.
Ursula wusste, dass der Untergang der Selbsthilfegruppe für Sauerstofflangzeittherapie und
Beatmungstherapie (SHG-LOT e.V.) nicht mehr aufzuhalten war. Es war unvorstellbar und
deprimierend, dass unser gemeinsames Lebenswerk einfach nicht mehr existierten würde. Aber wir
waren auch stolz darauf, was wir geschaffen hatten und es war gut!
Als ich Ursula Krütt-Bockemühl im September 2005 kennen lernte, befand sich die Selbsthilfegruppe
wie jetzt 2023 in einer akuten Krise. Herr Dirmeier, der erste Patient, der mit einem tragbaren
Flüssigsauerstoff hier in Bad Reichenhall versorgt worden war, hatte nach 8 Jahren Vorstandsarbeit
resigniert. Die Bürokratie, der tägliche Kampf mit den Krankenkassen, Firmen und Ärzten ließen ihm
keine Luft mehr zum Atmen. Sein Motto „Mir geht es gut, mir fehlt nur Luft zum Atmen“, fühlte sich
nicht mehr richtig an. Jetzt ging es um sein Überleben. Seine Entscheidung war richtig. Erst im letzten
Jahr – 2022 – verstarb er.
Keiner wollte in seine Fußstapfen treten. Keiner wollte die Verantwortung übernehmen, vor allem
kein Betroffener. Denn ein Patient, der auf eine lebenslange Langzeitsauerstofftherapie angewiesen
ist, ist ein Patient, der „medikamentös“ austherapiert ist. Das Symptom Atemnot kann nur durch
Sauerstoff gelindert werden. Er ist ein palliativer Patient.
Herr Dirmeier war „mein Patient“, ich seine Doktorin. Als er 1988 bundesweit das erste kleine
tragbare Sauerstoffgerät erhielt, war das der Beginn einer lebenslangen Freundschaft und eines
wirklich gelebten Patienten-Arzt-Verhältnisses. Herr Dirmeier war der Motor, er gab die Richtung an.
Ich war diejenige, die versuchte, seine Visionen bei meinen Kollegen und vor allen Dingen auch bei
meinem damaligen Chef, Herrn Prof. Nolte, durchzusetzen.
Und dann kam 2005. Normalerweise vermeide ich Mitgliederversammlungen, auf denen immer
wieder unzufriedene Mitglieder ihren ganzen Unmut loswerden können. Dieses Mal ging es um die
Nachfolge von Herrn Dirmeier. Keiner wollte diesen Job übernehmen, auch ich nicht. Ich war mit
meiner Tätigkeit als Oberärztin im Krankenhaus mehr als ausgelastet und gleichzeitig arbeitete ich
immer im Hintergrund bei der Selbsthilfegruppe Langzeitsauerstofftherapie – ja – aber eben nicht als
Vorsitzende. Meine Gegenkandidatin war Ursula Krütt-Bockemühl – eine Betroffene, die auch diese
Bürde auf keinen Fall übernehmen wollte. Nach 6 Stunden zermürbender Sitzung, die von einem
klugen, im Vereinsleben erfahrenen Mediator geführt wurde, gaben wir langsam unseren
Widerstand auf. Wir sahen uns an, nickten und begannen die LOT zu reformieren.
Es war der Beginn einer Freundschaft, die bis zum letzten Atemzug von Ursula dauerte. Es war eine
Freundschaft voller Höhen und Tiefen, von Visionen, die teilweise durchgesetzt werden konnten, an
denen wir aber auch beide scheiterten. Zwei Frauen an der Spitze der bundesweiten Sauerstoffliga
und zusätzlich Frau Elke Angerer als Geschäftsstellenleiterin mit einer bundesweit eingerichteten
Geschäftsstelle machten dann das Powertrio aus.
Es war eine Zusammenarbeit mit hohem Respekt, Phantasie, Erfindergeist, mit Mut aber auch
absoluter Ehrlichkeit, die zu mancher Auseinandersetzung führte, die aber immer zu besseren,
konkreteren Vorschlägen führte. Ursula war auch hier der Motor der Sauerstoffliga, ich eher die
Gallionsfigur, die versuchte, ihre Ideen durchzusetzen. Es entstanden Patientenkongresse sogar in
Italien. Wir waren auf jedem Pneumologie-Kongress als Sauerstoffgruppe vertreten.
Aber nach 8 Jahren wurde für Ursula die Luft immer knapper. Auch sie musste sich eingestehen, dass
eine bundesweite Selbsthilfegruppe, die in der Legislaturperiode von uns beiden auf 2300 Mitglieder
angestiegen war, nicht nebenbei zu schaffen war. Schweren Herzens legten wir beide 2013 unser
Amt nieder.
Aber unsere Wege trennten sich nicht. Zu ihrer schweren Lungenerkrankung kam noch eine
angeborene Nierenerkrankung, die sie schließlich an die Dialyse fesselte für 3 mal 5 Stunden pro
Woche. Aber auch das hinderte sie nicht, unermüdlich für die LOT weiterzuarbeiten. Sie machte
Schulungen in den Krankenhäusern für Betroffene, Schulungen für Stützpunktleiter, sie war auf
jedem Kongress anwesend und wurde deshalb dann auch mit dem Bundesverdienstkreuz 2021
ausgezeichnet.
Trotz ihrer Handicaps war die Arbeit bei der LOT eine Win-Win-Situation auch für Ursula. Sie war
besessen, ihre Erfahrung an Betroffene weiterzugeben. Der Gedanke an Aufgeben war nie
vorhanden. Das sogenannte K-Wort fiel nie. K-Wort bedeutet: „Spricht der Arzt von Palliativ, hängt
der ganze Segen schief“. Palliativ war für Ursula einWort, das sie erst ganz zum Schluss, eigentlich
erst ein paar Tage vor ihrem Tod akzeptieren konnte.
Durch meine Freundschaft zu Ursula änderte sich auch die Einstellung zu meinem Beruf. Ich musste
mich neu definieren und einsehen, dass es zwar immer nur eine Krankheit gibt, die man dann auch
im Internet nachlesen kann, aber zu jeder Krankheit gehört auch der Patient dazu. Und die Macht des
Patientenwillens ist unbezwingbar. Ursula hat es uns gezeigt. In den letzten Wochen gab es immer
wieder Phasen, in denen sie nicht mehr in der Lage war, ihren PC aufzuschlagen. Dann wusste ich, es
geht ihr schlecht. Aber bis einen Tag vor ihrem Tod erhielt sie noch Nachrichten und Fragen zur
Sauerstofftherapie.
Ihre Disziplin, ihre unermüdliche Art hielten sie im Leben. Aber irgendwann sah sie ein, dass ein
kämpfen ums Überleben nicht mehr sinnvoll ist. Über diese Einsicht war sie sehr traurig. Ganz zum
Schluss sagte sie mir: „Ich sehe auf meinen Körper und weiß, dass er es nicht mehr schafft. Ich habe
Atemnot, die unerträglich ist. Ich habe Angst zu ersticken. Nur mein Kopf ist noch ganz frei. Mein
Kopf ist noch voll von Erinnerungen und schönen Dingen und der Gewissheit, dass ich immer noch
anderen Betroffenen etwas weitergeben kann.“
Als ihr das bewusst wurde, dass es keine Hoffnung mehr für sie gab, organisierte sie ihr Sterben:
Selbstbestimmt, autonom und mit unendlicherWürde. Trotz ihrer Bedenken entschied sie sich dann
zuhause im Kreis ihrer Familie und ihrer besten Freundin zu gehen. Wir haben diesen Moment im
Laufe unserer Freundschaft oft besprochen. Wir haben immer wieder Abschied genommen. Aber
Ursula kämpfte sich immer wieder ins Leben zurück. Sie war ein „Aufstehfrauchen“ Sobald sie wieder
Luft zum Atmen hatte, wurde das Laptop aufgemacht. Sie war nie neidisch. Sie war nie missgünstig.
Sie war nie schlecht gelaunt. Sie konnte zuhören. Sie versuchte immer pragmatisch eine Lösung zu
finden. Sie freute sich, wenn es anderen gut ging Die Erfüllung ihres Lebens war am Schluss Elisabeth,
ihre kleine Enkeltochter. Für sie hätte sie gerne weitergelebt. Aber sie nicht in den Arm nehmen zu
können, tat unendlich weh.
Sie ist gegangen. Die Leere ist unendlich. Die Trauer noch gar nicht angekommen. Sie ist nicht gerne
gegangen. Deshalb sollte ihr Tod ein Weckruf für alle Betroffenen sei, ihre Erfahrungen
weiterzugeben. Hilfe zur Selbsthilfe – nur so kann man diese schreckliche Krankheit meistern. Liebe
Ursula, ich danke Dir und ich danke Dir auch im Namen aller Sauerstoffpatienten, die Du einmal
beraten, begleitet, aufgerichtet hast und Ihnen Mut gegeben hast. Die Freundschaft, die ich mit Dir
gelebt habe, ist ein Teil von mir.
Dr. Birgit Krause-Michel Vorsitzende der SHG-LOT e.V. mit Ursula Krütt-Bockemühl von 2005 – 2013
Ehrenvorsitzende der SHG-LOT e.V. Ärztin für Palliativmedizin und Psychotherapie
Vorsitzende der außerklinischen Ethikberatung SOB
Text: Dr. Birgit Krause-Michel
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